Co-Development: Gemeinsam Lernen und Gestalten
Co-Development ist ein kollaborativer Ansatz zur Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen, bei dem Endnutzer:innen aktiv in den gesamten Design-, Entwicklungs- und Evaluationsprozess eingebunden werden. Der Ansatz verspricht, dass die entwickelten Lösungen besser auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen abgestimmt sind, da diese von Anfang an ihre Perspektiven und Erfahrungen einbringen. Innovationen, wie z.B. digitale Technologien, können durch Co-Development benutzerfreundlicher, zugänglicher und relevanter gestaltet werden.
Schritte im Co-Development
- Bedarfsermittlung: Im ersten Schritt helfen die Nutzer:innen dabei, konkrete Herausforderungen oder Bedürfnisse in ihrem Alltag zu identifizieren. Ihr Feedback hilft Designer:innen, sich auf reale Probleme statt auf hypothetische Annahmen zu konzentrieren. Empathie und echtes Interesse an den Perspektiven der Nutzer:innen sind hier von entscheidender Bedeutung.
- Konzepterstellung: Basierend auf den identifizierten Bedürfnissen entwickelt das Team Ideen und potenzielle Lösungsansätze. Diese Phase umfasst Brainstorming, Skizzieren und das Erstellen erster Konzeptentwürfe.
- Prototypentest und Iteration: In dieser Phase testen Nutzer:innen Prototypen und geben Feedback zu Aspekten wie Funktionalität, Benutzerfreundlichkeit und Komfort. Iterative Verbesserungen stehen im Fokus, wobei das Feedback der Nutzer:innen den Entwicklungsprozess kontinuierlich lenkt.
- Entwicklung und Evaluation: Das finale Produkt wird auf Basis des gesammelten Feedbacks entwickelt und evaluiert. Hierbei steht die Erfüllung technischer, benutzerfreundlicher und zugänglicher Standards im Vordergrund. Durch wiederholte Rückkopplungsschleifen wird sichergestellt, dass langfristige Nutzungserfahrungen und Verbesserungsvorschläge einfliessen.
Produktentwicklung „mit“ oder „für“ ältere Erwachsene?
Trotz der Vorteile von Co-Development werden ältere Erwachsene häufig nicht oder nur unzureichend in Entwicklungsprozesse eingebunden. Oft entstehen Produkte eher „für“ als „mit“ dieser Zielgruppe, was dazu führen kann, dass zentrale Bedürfnisse übersehen werden und Produkte kaum genutzt werden. Eine aktuelle Übersichtsstudie zeigt, dass ältere Menschen in der Entwicklung digitaler Technologien oft nur für finale Produkttests herangezogen werden – wenn überhaupt. Häufig werden zudem jüngere, aktive, gesunde oder technikaffine Personen bevorzugt, wodurch die Bandbreite der Bedürfnisse und Perspektiven nicht vollständig abgebildet wird (Mannheim et al., 2023).
Warum wir Co-Development nutzen
Auch wir setzen in unseren Projekten auf Co-Development. Unser Ziel ist es, die Stimmen älterer Erwachsener über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg zu berücksichtigen. Dadurch können wir Bildungsangebote gestalten, die nicht nur „für“, sondern „mit“ den Lernenden entstehen. Dabei sehen wir uns selbst als Lernende und die Teilnehmenden als aktive Mitgestalter:innen.
Ein Beispiel aus unserer Praxis
Ein konkretes Beispiel aus unserer Arbeit ist der Kurs „Innovation und Unternehmertum“. Ausgangspunkt war ein bestehender Kurs zu Design Thinking Methoden, den wir mit einer ersten Gruppe älterer Lernender testeten. Ihre Rückmeldungen zu Methoden, Inhalten und Verbesserungspotenzialen helfen uns dabei, den Kurs weiterzuentwickeln. Durch Interviews erhielten wir wertvolle Einblicke und stellten Fragen wie: „Welche Methoden helfen euch? Was funktioniert gut? Wo gibt es Verbesserungsbedarf?“
Mit einer zweiten Gruppe wurden diese Erkenntnisse in Workshops weiter vertieft, aber vor allem das Curriculum des Kurses gemeinsam gestaltet. Ergebnis dieses Prozesses war der erste Prototyp: die ersten beiden Module unseres E-Learning-Kurses.
Der nächste Schritt ist nun der Praxistest: Im Februar 2025 planen wir, diese beiden Module mit einer dritten Gruppe älterer Lernender zu evaluieren. Die Rekrutierung für diese Testgruppe hat bereits begonnen. Haben Sie Interesse, Teil dieses spannenden Projekts zu sein? Dann melden Sie sich gerne bei uns – wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Herausforderungen
Auch für uns ist eine zentrale Herausforderung in Co-Development-Prozessen, eine möglichst heterogene Nutzergruppe einzubinden. Oft sind die Teilnehmenden technikaffin und bringen Vorerfahrungen im E-Learning mit, was die Vielfalt der Perspektiven einschränken kann.
Zusätzlich können unbewusste Altersstereotype den Prozess beeinflussen – sowohl bei den Design-Teams als auch bei älteren Erwachsenen selbst. Diese Vorurteile und Stereotype beeinflussen die Wahrnehmung und Designentscheidungen und können dazu führen, dass bestimmte Ideen voreilig abgelehnt oder Bedürfnisse unzureichend erkannt werden.
Fazit
Co-Development bietet grosses Potenzial, um Produkte und Dienstleistungen besser an die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen anzupassen. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten – unabhängig von Alter oder Hintergrund – ernsthaft und durchgängig eingebunden werden. Unsere Erfahrungen zeigen, dass eine konsequente Zusammenarbeit auf Augenhöhe nicht nur bessere Ergebnisse liefert, sondern auch die Beteiligten selbst bereichert.
Referenzen
Leask, C. F., Sandlund, M., Skelton, D. A., Altenburg, T. M., Cardon, G., Chinapaw, M. J. M., De Bourdeaudhuij, I., Verloigne, M., & Chastin, S. F. M. (2019). Framework, principles and recommendations for utilising participatory methodologies in the co-creation and evaluation of public health interventions. Research Involvement and Engagement, 5(1), 2. https://doi.org/10.1186/s40900-018-0136-9
Mannheim, I., Wouters, E. J. M., Köttl, H., Van Boekel, L. C., Brankaert, R., & Van Zaalen, Y. (2023). Ageism in the Discourse and Practice of Designing Digital Technology for Older Persons: A Scoping Review. The Gerontologist, 63(7), 1188–1200. https://doi.org/10.1093/geront/gnac144
Mazuz, K., & Biswas, S. (2022). Co-designing technology and aging in a service setting: Developing an interpretive framework of how to interact with older age users. Gerontechnology, 21(1), 1–13. https://doi.org/10.4017/gt.2022.21.1.475.03
Sumner, J., Chong, L. S., Bundele, A., & Wei Lim, Y. (2021). Co-Designing Technology for Aging in Place: A Systematic Review. The Gerontologist, 61(7), e395–e409. https://doi.org/10.1093/geront/gnaa064
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