Design Thinking für Lernende 60+

WiseLearn Plattform/ Mai 27, 2024

Design Thinking ist eine weit verbreitet Denkweise zur Lösung von Problemen. Wir haben Lernenden 60+ einen E-Learning Kurs dazu angeboten. Lesen Sie hier, was Design Thinking ist, welche Potentiale wir sehen, und was wir bisher über den Nutzen für Lernende 60+ wissen.

Auch Lernende 60+ können in ihrem Lebensalltag von der Anwendung von Design Thinking profitieren. Nicht nur als Zielgruppe für jüngere Produktentwickler:innen, sondern auch selbstständig in der Rolle als Entwickler:innen, Planende und Durchführende.

Deswegen haben wir einen Design Thinking Kurs für ältere Lernende angeboten, um damit zu testen und herauszufinden, ob die Teilnehmenden wirklich profitieren können. Über drei Monate hinweg haben sich Lernenden 60+ online mit Theorien und Methoden von Design Thinking vertraut gemacht. An eigenen Herzens-Projekten haben sie die Methoden direkt angewendet, und es sind grossartige Projekte und Ideen entstanden. Dazu gehören der Start des Podcasts WiseListening, die Erstellung einer Arbeitshilfe für Politiker:innen zur Frühförderung von Kindern, und die entstandenen Initiative um die «Student:innen-Stadt Luzern». Doch was ist Design Thinking überhaupt?

Schon in den 1960ern haben sich Forschende gefragt, mit welchen Methoden und Prozessen erfolgreiche Designer und Designerinnen ihre Produkte entwickeln (Kimbell, 2011). In den 2000ern wurde Design Thinking dann im Kontext von Organisationen entdeckt, da es verspricht «die Art und Weise zu transformieren, wie Produkte, Dienstleistungen, Prozesse – und sogar die Strategie» entstehen (Brown, 2008).

Das Ziel von Design Thinking ist es, Probleme zu lösen, ja, sogar eigentlich «unlösbare» (engl. «wicked») Probleme zu bewältigen. Die Denkweise mit ihren Methoden soll zu Innovationen und völlig neuen Ideen führen (Kimbell, 2011). Die Lösungen, die dabei entstehen müssen nicht zwangsweise greifbare «Dinge» sein, sondern auch soziale Innovationen wie Dienstleistungen oder Infrastruktur (Brown & Wyatt, 2010). Mit Blick auf die Lebensphase Alter wurde unter anderem beschrieben, wie mit Design Thinking altersgerechter Wohnraum oder Medikamenteneinnahme besser gestaltet werden soll.

Design Thinking als Prozess besteht dabei aus mehreren Schritten (Plattner, n.d.):

1. Verstehen und Beobachten: Zunächst gilt es, «das Problem» zu verstehen und Recherchen durchzuführen. Durch Beobachtung wird herausgefunden, wie sich Menschen in ihrer Umwelt verhalten. Um direkt mit der Zielgruppe ins Gespräch zu kommen, werden «Interviews» durchgeführt. Hier steht die Fragen nach dem «Warum?» im Mittelpunkt.

2. Definieren: Jetzt werden alle Rechercheergebnisse zusammengeführt, Muster identifiziert und Schlussfolgerungen gezogen. Ziel ist es, das konkrete Problem zu beschreiben, dass es zu lösen gilt.

3. Ideen finden: Hier gilt es, völlig offen im Team zu denken, um die grösstmögliche Auswahl an kreativen Ideen zu entwickeln. Methoden sind z.B. Brainstorming, Mind-Maps oder die Erstellung von Skizzen. Dann werden die besten Ideen anhand von Kriterien wie Umsetzbarkeit ausgesucht. Die Lösungen im Sinne von Produkten, die entstehen müssen zudem keine greifbaren «Dinge» sein. Es können soziale Innovationen sein wie Lösungen für soziale Felder sein.

4. Prototypen entwickeln: Der Prototyp soll näher zur schlussendlichen Lösung führen, und vor allem Anlass für neue Gespräche mit der Zielgruppe sein. Wichtig ist, einfach mal anzufangen. Es könnte z.B. eine Wand mit Notizen sein, eine kleine technische Spielerei, ein Rollenspiel, oder ein «Storyboard».

5. Test: Mit diesem Prototyp tritt man nun experimentierend an die Zielgruppe heran, und sammelt in Gesprächen Rückmeldungen. Es ist die Chance, um Ideen zu verfeinern, weiterzuentwickeln und zu verbessern.

Und dann? Geht das Ganze wieder von vorne los. Man spricht hier von Iteration, also von Wiederholungen. Der Design Thinking Prozess wird als Kreislauf verstanden, indem die Schritte nacheinander immer wieder durchgeführt werden. Es kann aber auch immer wieder Schleifen innerhalb eines Schrittes geben, in dem z.B. mehrere Prototypen erstellt werden.

  • Design Thinking Methoden lassen die Zielgruppe zur Sprache kommen.
  • Sie helfen, im Prozess Bedürfnisse immer wieder besser zu verstehen.
  • Der partizipative Ansatz nimmt Fähigkeiten und Erfahrungen von Menschen ernst, und fördert bottom-up Methoden.
  • Viele Schritte beinhalten Forschungsmethoden, für die wir von WiseLearn Expert:innen sind, und die wir gut begleiten können, wie z.B. Interviews, Teilnehmendenbeobachtung, Fokusgruppen oder Umfragen.

Was wir bereits wissen ist, dass der Ansatz nicht nur in profitorientieren Organisationen eingesetzt wird, sondern auch angewandt wird, um soziale Probleme in den unterschiedlichsten Feldern zu lösen, wie z.B. Beziehungen zu Stakeholdern zu verbessern (Hillgren et al., 2011), oder um Forschungsprojekte mit Bürger:innen durchzuführen (Goi & Tan, 2021).

Wir haben unsere hoch engagierten und in Projektarbeit eingebundene Teilnehmenden am Design Thinking Kurs interviewt und gefragt: Was hat euch das gebracht? Die ersten Ergebnisse unserer Befragungen zeigen, dass die Mehrheit der Teilnehmenden in ihren derzeitigen Lebenssituationen Potential in den Design Thinking Methoden sehen, vor allem, wenn es gilt eine neue Idee zu entwickeln und umzusetzen. Die Idee der Entwicklung als Kreislauf, in dem man einfach mal mit einem «Prototyp» startet, oder Interviews durchführt, wurde als hilfreich bewertet. Die erfolgreiche Projektarbeit zeigen uns, dass das Erlernen von Design Thinking lohnenswert für Lernende 60+ ist.

Design Thinking als Denkweise verspricht, in einem reflektierenden Prozess mit sich wiederholenden Schritten, innovative Lösungen für Probleme zu finden. Besonders attraktiv ist, dass mit den Methoden Menschen ernst genommen werden, und nicht nur «für», sondern vor allem «mit» ihnen Lösungen entwickelt werden. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter, denn auch Lernende 60+ können vom Erlernen der Methoden profitieren, und ihre vielfältigen Projekte und Interessen selbstständig und innovativ weiterentwickeln

Literaturverzeichnis

Brown, T. (2008). Design Thinking. Harvard Business Review, 1–10.
Brown, T., & Wyatt, J. (2010). Design Thinking for Social Innovation. Development Outreach, 12(1), 29–43. https://doi.org/10.1596/1020-797X_12_1_29
Goi, H. C., & Tan, W.-L. (2021). Design Thinking as a Means of Citizen Science for Social Innovation. Frontiers in Sociology, 6, 629808. https://doi.org/10.3389/fsoc.2021.629808
Hillgren, P.-A., Seravalli, A., & Emilson, A. (2011). Prototyping and infrastructuring in design for social innovation. CoDesign, 7(3–4), 169–183. https://doi.org/10.1080/15710882.2011.630474
Kimbell, L. (2011). Rethinking Design Thinking: Part I. Design and Culture, 3(3), 285–306. https://doi.org/10.2752/175470811X13071166525216
Plattner, H. (n.d.). An Introduction to Design Thinking. Process Guide. https://web.stanford.edu/~mshanks/MichaelShanks/files/509554.pdf

Die verwendeten Bilder sind von www.freepik.com und in unserem Design Thinking Kurs entstanden.