«You are the dancing queen!» – Wie tanzen gesundes Altern fördert
Während der römische Redner Cicero das Tanzen (vielleicht mit einem Augenzwinkern) als „verrückt“ einstufte, wissen wir heute ganz intuitiv um die zahlreichen positiven Auswirkungen – und das nicht nur in jungen Jahren. Tanzen kennt kein Alter, was die zahlreichen Tanzveranstaltungen oder auch die Idee des „Tanzens im Sitzen“ zeigen. Doch auch wissenschaftliche Studienergebnisse unterstreichen: Tanzen ist so gar nicht verrückt, sondern äusserst vernünftig, denn es trägt zum gesunden Altern bei. Wir haben hier einige positive Auswirkungen zusammengestellt.
Keinem Nüchternen wird es einfallen zu tanzen, es sei denn, er wäre verrückt.
Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.), römischer Redner und Staatsmann
Tanzen als körperliche Aktivität
Die Musik startet, vielleicht läuft gerade das Lieblingslied, und schon kommen die Bewegungen wie von selbst. So manche Müdigkeit verfliegt, ein Schritt folgt auf den anderen, «das Tanzbein wird geschwungen». Und ganz nebenbei wird die Fitness trainiert. Australische Teilnehmende im Ballettunterricht für Senioren und Seniorinnen berichten z.B., dass sie sich energetisierter und in Form fühlen, dass sie ein gutes Körpergefühl empfinden und dass sich ihre Balance und die Gelenkigkeit verbessern (Ali-Haapala et al., 2018). Diese subjektiven Eindrücke, lassen sich auch ganz objektiv mit Tests nachweisen. So haben Forscher und Forscherinnen in Griechenland zeigen können, dass Ältere, die an Unterricht für traditionelle griechische Tänze teilgenommen haben, danach z.B. ausdauernder sind, sich die Handkraft erhöht, sich die Balancefähigkeit auf einem Bein verbessert, und auch das Aufstehen leichter fällt (Douka et al., 2019). Diese positiven Befunde haben z.B. auch die Forschung um Sturzprophylaxe angeregt, wie man eindrücklich auf der Homepage des SturzZentrums Schweiz nachlesen kann. Tanzen als körperliche Aktivität kann also dazu beitragen, bei besserer körperlicher Gesundheit zu sein und zu bleiben. Und wenn sich nach dem Training der Körper meldet, dann wissen wir wenigstens woher, so beschreiben es einige Tanzkurs-Teilnehmerinnen:
ROBYN Ich sag dir, was mir gefällt, ist, wenn ich am nächsten Morgen aus dem Bett steige und denke: „Oo, das zwickt jetzt hier aber ein bisschen.“
CHRISTINE “Das tut weh.” Lacht.
ANNE Oo, ja. Lacht. Das stimmt.
ROBYN „Da sind die alten Waden ein bisschen verkrampft.“ Und du denkst nur: „Das war das Ballett gestern. Toll! Das heisst, ich habe meinen Körper bewegt.“
CHRISTINE Ja
ROBYN Mein Körper bewegt sich wie er soll.
ANNE Ja, das ist es. [. . .]
ROBYN Aber es fühlt sich gut an, dass du deinen Körper tatsächlich gebraucht hast.
Die Auswirkungen von tanzen auf das emotionale Wohlbefinden
Emotionales Wohlbefinden beschreibt Gefühle wie Zufriedenheit, Optimismus, positive Emotionen und die Abwesenheit von negativen Emotionen. Vielleicht all das, was wir nach einem gelungenen Tanzabend empfinden! So beschreiben es zumindest die Tänzer und Tänzerinnen vom Ballett in Queensland. Durch das Tanzen fühlen sie sich besser gelaunt, sie fühlen sich ausgeglichener und negative Gefühle würden nicht mehr so stark ins Gewicht fallen (Ali-Haapala et al., 2018). Ein gutes emotionales Wohlbefinden hat auch noch Auswirkungen, wenn die Musik längst gestoppt hat. So haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler herausgefunden, dass sich unser Wohlbefinden auf die Länge unseres Lebens auswirkt. Ein gutes Wohlbefinden kann dazu beitragen, dass wir ein höheres Alter erreichen. Um die Frage zu beantworten, ob es nun 4 Jahre oder 10 Jahre sind, ist emotionales Wohlbefinden mit all seine Auswirkungen z.B. auch auf die Gesundheit, aber zu komplex (Diener & Chan, 2011). Doch damit nicht genug. So gibt es zum Beispiel einige Versuche, ob Tanzen als eine nicht-medikamentöse Behandlungsform die Symptome einer Depression reduzieren kann. Und auch hier gilt, dass es viele Facetten zu berücksichtigen gibt, aber in einigen Studien konnten Depressionen tatsächlich mit Hilfe von Tanzen verbessert werden (Rittiwong et al., 2023). Welche Bedeutung dieser Befund hat lässt sich erahnen, wenn man bedenkt, dass Depressionen die häufigste psychische Erkrankung im Alter ist (Amrhein, 2013).
Wo immer der (die) Tanzende mit dem Fuß auftritt, da entspringt dem Staub ein Quell des Lebens.
Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207 – 1273)
Tanzen als soziales Erlebnis
Komm schon und schenk mir diesen Tanz, leg deine Hand in meine Hand, lass die Musik an!
Aus einem Songtext von den „Madsen“, Rock-Band
So tönt es in einem Liedtext, der mit einer tollen Melodie und treibenden Beats daherkommt – da bleibt fast gar nichts anderes übrig, als die Hand zu ergreifen und zu Tanzen. Tanzen ist soziales Erleben – und nicht nur beim Paartanz. Auch Teilnehmende von Solotanz-Arten wie Ballett beschreiben, dass sich durch die Treffen ein Gemeinschaftsgefühl einstellt, man ist verbunden über die Musik und den Tanz, spürt die Energie, und teilt seine Leidenschaft miteinander. Und vielleicht entstehen dadurch sogar neue Freundschaften. Doch um Tanzen als ein positives, soziales Erlebnis wahrzunehmen, müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen: kein Druck oder Wettbewerb, eine offene und freundliche Atmosphäre, ein humorvoller, nicht verurteilender Umgang mit möglichen Fehlern, Hilfsbereitschaft, ein gutes Tempo, Zeit zum Austausch und so weiter… (Ali-Haapala et al., 2018; Douka et al., 2019). Zum Glück gibt es in der Schweiz viele Angebote, die zum Tanzen einladen, sodass die Wahrscheinlichkeit steigt, eine Gruppe zu finden, in der man sich wohl fühlt. Wenn Sie ebenfalls Lust bekommen haben, sich einer Tanzgruppe anzuschliessen, schauen Sie sich gerne unsere drei Angebotsvorschläge am Schluss des Artikels an.
Auswirkungen von Tanzen auf die Kognition
Das Bewegung auch dem Kopf gut tut, das gehört zu wohlbekannten Volksweisheiten. Im Fall von Tanzen, ist wirklich etwas dran. Das liegt vor allem daran, dass Tanzen viele Facetten hat:
- die reine körperliche Bewegung mit Ausdauer, Koordination und Balance,
- das Erlernen von neuen und Erinnern von alten Bewegungsmustern,
- die begleitende Musik, die die Sinne anregt,
- und ein mögliches emotionales und soziales Wohlbefinden.
All das kann dazu führen, dass sich das Gedächtnis nicht verschlechtert oder sogar verbessert (Müller et al., 2017; Predovan et al., 2019). In einer Studie, bei der Teilnehmende ab einem Alter von 63 Jahren entweder über 18 Monate in einer Sportgruppe oder in einer Tanzgruppe teilnahmen, verbesserte sich bei allen die Aufmerksamkeit und die Merkfähigkeit. Aber, in der Tanzgruppe bildeten sich im Gehirn sogar neue graue Zellen. Die Forscher und Forscherinnen schlussfolgern, dass eine langfristige Teilnahme in einem Tanzprogramm dem einfachen Sport überlegen ist (Müller et al., 2017). Doch wie kann sich ein durch Tanzen besseres Wohlbefinden positiv auf das Gedächtnis auswirken? Depressionen wirken sich negativ auf das Gedächtnis aus, und wenn nun Tanzen Depressionssymptome lindern kann, so kann sich auch die Gedächtnisleistung wieder verbessern (Predovan et al., 2019).
Wie tanzen das Erinnern fördert
Vielleicht ist Ihnen beim Lesen des Titels zu diesem Beitrag sofort die Melodie und die ersten Textfetzen des Disko-Klassikers von ABBA in den Sinn gekommen: «You are the dancing queen, young and sweet, only seventeen!». Und vielleicht ist ihr Lieblingslied ihr Lieblingslied, weil Sie eine schöne Erinnerung damit verbinden. Musik dient dabei als Auslöser und oft fördert sie über Erinnerungen, dass ein gutes Gefühl entsteht. Gleichzeitig speichert unser Körper viele Bewegungsmuster – und falls Sie in Ihrer Jugend wie so viele an einem Tanzkurs teilgenommen haben, werden Sie vielleicht überrascht sein, wie automatisch sich einmal gelernten Tanzschritte mit kleinen Erinnerungshilfen wieder tanzen lassen (Coaten, 2001).
Fazit
Tanzen kann durch seine Ganzheitlichkeit zu einem gesunden Alter(n) bei gutem Wohlbefinden beitragen. Denn Tanzen verbunden mit Musik fördert die körperliche Betätigung, das Erleben von positiven Emotionen, ist Gedächtnis- und Erinnerungstraining und kann Grundlage für soziales Miteinander sein.
Wenn Sie das Tanzfieber jetzt gepackt hat, dann finden Sie hier drei Plattformen in der Schweiz, über die Sie Angebote zum (Mit-)Tanzen finden:
- Everdance® ist ein Solotanzkonzept für das Zielpublikum 60+. Dabei werden Tanzschritte aus dem Paartanz mit zusätzlichen Bewegungselementen kombiniert. Auf der Homepage finden Sie zahlreiche Standorte.
- Pro Senectute bietet zahlreiche Tanzkurse und Tanznachmittage (auch Everdance®) in der ganzen Schweiz an. Über den Veranstaltungskalender können Angebote gefiltert werden. Hier finden Sie auch Online-Angebote, die über Videokonferenzen einladen, zuhause mitzutanzen.
- Auch im Tanzkalender finden Sie unzählige Tanzveranstaltungen für Paartänze am Nachmittag und Abend in der deutschsprachigen Schweiz und vor allem rund um Zürich.
Literaturverzeichnis
Ali-Haapala, A., Moyle, G. & Kerr, G. (2018). Ballet Moves for Adult Creative Health: Stae One – Research Report.
Amrhein, C. (2013). Psychische Störungen im Alter.
Coaten, R. (2001). Exploring reminiscence through dance and movement. Journal of Dementia Care(Sept/Oct), 19–22.
Diener, E. & Chan, M. Y. (2011). Happy People Live Longer: Subjective Well-Being Contributes to Health and Longevity. Applied Psychology: Health and Well-Being, 3(1), 1–43.
Douka, S., Zilidou, V. I., Lilou, O. & Manou, V. (2019). Traditional Dance Improves the Physical Fitness and Well-Being of the Elderly. Frontiers in aging neuroscience, 11, 75.
Müller, P., Rehfeld, K., Schmicker, M., Hökelmann, A., Dordevic, M., Lessmann, V., Brigadski, T., Kaufmann, J. & Müller, N. G. (2017). Evolution of Neuroplasticity in Response to Physical Activity in Old Age: The Case for Dancing. Frontiers in aging neuroscience, 9, 56.
Predovan, D., Julien, A., Esmail, A. & Bherer, L. (2019). Effects of Dancing on Cognition in Healthy Older Adults: a Systematic Review. Journal of Cognitive Enhancement, 3(2), 161–167.
Rittiwong, T., Reangsing, C. & Schneider, J. K. (2023). The Effects of Dance Interventions on Depression in Older Adults: A Meta-Analysis. Journal of Applied Gerontology, 9, 42.
Die verwendeten Bilder sind von www.freepik.com und https://ageingbetter.resourcespace.com